Das Gesundheitswesen und «New Work»

Fachkräftemangel ist im Gesundheitswesen zunehmend ein Problem, welches durch die Corona-Pandemie noch verstärkt wurde. Wie kann die Arbeit für Fachkräfte attraktiver gestaltet werden und was hat «New Work» damit zu tun?

Ein Interview mit unsere Expertin Dharshana Sellappah, Senior Consultant bei Detecon.

 

Anmerkung: Dieser Artikel ist der sechste Teil der Artikelserie «Digitalisierung – Das Gesundheitswesen auf dem Weg der Besserung».

Das Bild zeigt Hände auf einer Laptoptastatur und ein danebenliegendes Stethoskop

Dharshana, du beschäftigst dich seit sieben Jahren mit dem Thema Unternehmenskultur und wie man diese konkret und nachhaltig in der Organisation verankert. Momentan ist das aktueller denn je und New Work ist für alle Branchen relevant, um die Arbeitgeberattraktivität zu stärken. Welche Branchen haben ähnliche Probleme mit Fachkräftemangel wie das Gesundheitswesen?

Viele Branchen erleben derzeit einen Fachkräftemangel. Besonders gesucht sind u.a. Fachkräfte in den Bereichen Ingenieurwesen, Informatik, Bildung oder auch der Bauindustrie. Gerade hier ist es nun an der Zeit, zu handeln und die Lücke zu Branchen und Unternehmungen zu schliessen, die schon weiter sind. Nur so kann man der zunehmenden Abwanderungswelle entgegenwirken.

Wenn man mal auf diese führenden Branchen und Unternehmungen schaut – welche Methoden haben diesen geholfen, die Herausforderung anzugehen?

Erst einmal muss man sehen, dass abhängig von der Branche externe Faktoren, wie das Ausbildungssystem oder gesetzliche Auflagen, existieren. Diese sind gegeben und können von uns nicht geändert werden. Wichtig ist deshalb zu erkennen, welche Hebel die Unternehmen selbst in der Hand haben und nutzen können. Proaktive Unternehmen investieren beispielsweise in die Steigerung der Arbeitgeberattraktivität.

Wie kann das konkret ausschauen, wenn eine Unternehmung die Attraktivität für Mitarbeitende stärken möchte?

Auf der Hand liegt natürlich die Verbesserung der Arbeitsbedingungen – ich denke hier an das Gehaltssystem, flexible Arbeitsmodelle und Entwicklungsmöglichkeiten. Die Investition in Digitalisierung und der Einsatz neuer Technologien bieten Chancen, welche man nutzen muss. So kann beispielsweise die Automatisierung von Routinearbeiten Raum schaffen für spannendere Aufgaben und Arbeitsabläufe effizienter machen. Auch die Wirkung von einem attraktiven Arbeitsklima – z. B. in Form von ansprechenden Räumlichkeiten für die Mitarbeitenden, wo sie sich erholen und verpflegen können – ist nicht zu unterschätzen. Hier empfehle ich einen ganzheitlichen «New Work Ansatz», um Synergien zu nutzen und so eine nachhaltige und kostenoptimale Lösung umzusetzen.

Was verstehst du unter einem ganzheitlichen New Work Ansatz?

Er etabliert neue Arbeitswelten und -weisen entlang der vier gleichwertig zu betrachtenden Dimensionen People, Places, Principles & Regulationssowie Tools. Dabei ist die konkrete Umsetzung immer in Bezug auf die jeweiligen Gegebenheiten zu planen. So können beispielsweise vorhandene Rahmenbedingungen in der Dimension Places die Gestaltungsmöglichkeiten limitieren, dafür sind aber vielleicht mehr Optimierungen im Bereich Tools möglich. Hier gilt es immer die konkrete Situation vor Ort zu betrachten und dabei den Faktor Mensch stets im Fokus zu behalten.

Das Bild nennt die vier zentralen Dimensionen für New Work: "People", "Places", "Tools" und "Principles and Regulation"

Und was heisst das konkret für Spitäler?

Natürlich setzen Sicherheits- oder Datenschutzaspekte der Kreativität und Flexibilität im Fall von Spitälern gewisse Grenzen. Hygienevorschriften beispielsweise können Raumkonzepte einschränken. Aber dennoch: Erfolgreiche und in anderen Branchen erprobte Methoden lassen sich im Gesundheitswesen sinnvoll adaptieren.

Das Gesundheitswesen ist eine sehr wichtige Branche mit einem grossen Nutzen für die Gesellschaft. Aber betrachten wir die Arbeitsbedingungen und die Aussenwirkung, erkennen wir rasch Optimierungspotential. Um dem angesprochenen grossen Problem des Gesundheitswesens, dem Fachkräftemangel, zu begegnen, muss man schon bei den Themen Employer Branding und Recruiting ansetzen und die New Work Aktivitäten für die raren Fachkräfte sichtbar machen.

Wie könnte eine New Work Arbeitsumgebung in Kliniken aussehen?

Bei ärztlichem Fachpersonal und Pflegekräften ist es schwieriger, New Work Methoden umzusetzen – wie in der vorangegangenen Frage angedeutet. Hier sind vor allem neue Konzepte gefordert. Dafür ist spannend, den Tagesablauf verschiedener Berufsgruppen – analog einer Employee Journey – zu beleuchten, um spezifische Pain Points und Optimierungspotential abzuleiten. Schon kleine Massnahmen können grosse Wirkung erzielen. So zum Beispiel die Digitalisierung von Prozessen, wie der Dienstplanung. Zudem ist eine solche Analyse solide Grundlage für ein ganzheitliches New Work Konzept. Die Methode New Work könnte im gesamten Spital abteilungs-spezifisch adaptiert eingesetzt werden und den Ansatz Activity Based Working[1] fördern. Wir haben bisher vor allem über das medizinische Personal gesprochen. Natürlich ist die Verwaltung aber auch ein grosser und wichtiger Teil eines Spitals. Durch die Gestaltung einer optimalen Arbeitsumgebung und Arbeitsweise für jede Tätigkeit ihres Berufsalltags, erhalten die Mitarbeitenden einen gesundheitsfördernden und motivierenden Arbeitsplatz, an dem sie sich gerne aufhalten und gute Ergebnisse für das Unternehmen erzielen.  

 

[1] Activity Based Working: WAS getan wird (Aktivität), bestimmt WO (idealer Arbeitsort) und WIE (optimales Format).

Diese Seite teilen