Digitainability – Digitalisierung für mehr Nachhaltigkeit
Von Dr. Shivam Gupta
Es könnte so einfach sein, ist es aber nicht. Denn Digitalisierung bedeutet nicht, dass ein Unternehmen damit automatisch nachhaltiger wirtschaftet. So verbrauchen die Rechenzentren inzwischen drei Prozent des weltweiten Stroms und auch allein die Geräte des Internets der Dinge (IoT) könnten bis 2026 bis zu 3,1 % des weltweiten Stromverbrauchs ausmachen - die Tendenz ist eindeutig steigend. Zudem wurden 2021 weltweit fast 58 Millionen Tonnen Elektroschrott erzeugt. Was können Unternehmen also tun, um Digitalisierung und Nachhaltigkeit zu kombinieren? Mehr auf Data Intelligence und Digitainability setzen!
(Auszug des gleichnamigen Artikels von Dr. Shivam Gupta in der (deutschsprachigen) Lünendonk-Studie „Sustainable Operations in der Prozess- und Fertigungsindustrie“)
Das Thema Nachhaltigkeit entwickelt sich immer mehr aus dem „Can do“- in den „Must have“-Status. Nicht nur, weil regulatorische Vorgaben wie die Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) der EU oder das deutsche Lieferkettengesetz Unternehmen dazu zwingen, nachhaltiger zu produzieren und zu handeln. Aktuelle Studien zeigen vielmehr, dass sich Nachhaltigkeit zu einem wirtschaftlich relevanten und wettbewerbsdifferenzierenden Faktor entwickelt hat.
Die im Mai 2023 veröffentlichte PAC-Studie „IT & Sustainability – Reifegradindex 2023“ zeigt zum Beispiel, dass 94 Prozent der befragten 150 IT- und Business-Entscheider aus mittelständischen Unternehmen der Produktion und Logistik einen Nachhaltigkeitsbericht erstellen oder planen. Die Hälfte davon nach eigenen Aussagen ohne regulatorischen Druck. Ähnliche Studien bestätigen, dass das Thema Nachhaltigkeit sein Nischendasein verlassen hat.
Nachhaltigkeit mit Daten greifbar machen
Doch wie lassen sich Sustainability-Strategien umsetzen? Dafür setzen Unternehmen zunehmend auf Digitalisierung. Doch IT allein greift zu kurz, da Stromverbrauch, Geräteherstellung, Logistik und Elektronikschrott die Ökobilanz verhageln können. Die Lösung steckt in den Daten. Sie lassen sich dazu verwenden, die ersten Hypothesen zu ermitteln, zu verstehen und zu validieren, und um Schlussfolgerungen für die Entwicklung eines nachhaltigeren Unternehmens zu ziehen. Doch bisher nutzen Unternehmen verfügbare Daten im Wesentlichen dafür, Geschäftsprozesse zu optimieren und zu automatisieren – und Kosten zu reduzieren. Auch wenn sich der CO2-Fußabdruck quasi als Nebeneffekt damit verringert, bieten datengetriebene Strategien die Grundlage dafür, dass Digitalisierung und Nachhaltigkeit Hand in Hand gehen können.
Warum tun sich aber Unternehmen so schwer damit, ihre Prozesse nachhaltiger zu gestalten? Es gibt seit Jahren bekannte und auch angewendete Prozessmodelle wie das American Process Quality Framework (APQC), dass sich auch auf das Thema Sustainability-Prozesse anwenden lässt.
Einfach erklärt, sagt dieses Framework folgendes aus: Wenn Unternehmen Nachhaltigkeit von den Kunden aus denken, wirkt sich dies automatisch auf alle Bereiche aus – vom Einkauf über die Logistik und Produktion bis hin zu den Produkten und dem Verkauf. Dies zeigt, wie wenige Nachhaltigkeitsbemühungen verschiedene, miteinander verknüpfte Prozesse für ein nachhaltiges Unternehmen beeinflussen können. Dafür ist es wichtig, genau die „niedrig hängenden Früchte“ in den Geschäftsprozessen zu identifizieren, welche zu einer kaskadenartigen Transformation führen können. Daten und damit verbundene Technologien sind dabei der Schlüssel zum Erfolg.
Carbon Reduction Enablement Framework
Wie können Unternehmen also konkret Digitainability nutzen, um auf Basis solcher Frameworks Daten unter Nachhaltigkeitsgesichtspunkten zu erfassen und auszuwerten?
Beispiel 5G-Installation. Welche Nachhaltigkeitsgewinne, lassen sich mit einem privaten 5G-Netz neben den wirtschaftlichen Gewinnen erzielen? Und genau hier kommt die Datenintelligenz der Digitainability ins Spiel. Um dies zu evaluieren, hat Detecon das „Carbon Reduction Enablement Framework“ entwickelt. Es ermöglicht, den CO2-Fußabdruck der vorhandenen Infrastruktur zu berechnen und herauszufinden, welche Effekte der Umstieg auf ein neues System wie 5G hat. Oder wie viel Kohlenstoff und Ressourceneffizienz sich einsparen lässt, wenn ein Unternehmen die Google Cloud oder Azure nutzen will. Anhand der Data-Intelligence-Funktionen von Digitainability können Unternehmen besser über nachhaltige Vorgehensweisen und Beschaffungsprozesse sowie geeignete Maßnahmen entscheiden, die einen digitalen Zwilling für Nachhaltigkeit unterstützen können.
Nutzt ein Unternehmen bisher nur Wi-Fi, waren die Mitarbeiter auf der Etage auf die Anzahl der Geräte und die Geschwindigkeit sowie die Nähe der Wi-Fi-Abdeckung beschränkt. Nehmen wir nun an, dass bei einem Wechsel zu 5G viele Geräte hochzuverlässig vernetzt und Daten schneller übertragen werden könnten.
Zum Beispiel können Kameras mit neuen Fähigkeiten logistische Prozesse umgestalten und aufgrund der besseren Datenübertragung und nahtlosen Konnektivität ein hochauflösendes 3D-Modell von Lagerräumen erstellen, wodurch intelligentere Geschäftsprozesse als mit Wi-Fi möglich wären. Dann könnten verschiedene langwierige, sich wiederholende Vorgänge, z. B. bei der Qualitätsprüfung, der Fehlererkennung und der Bestandsverwaltung, leicht optimiert werden und eine bessere Ressourcennutzung fördern. Primär profitiert das Unternehmen direkt von der Veränderung der IKT- und Prozessinfrastruktur und den damit verbundenen Kohlenstoffemissionen. Sekundär profitiert der Betrieb von schlanken Prozessen, die gezielt darauf ausgerichtet sind, unnötigen Ressourcenverbrauch zu minimieren und Effizienz zu optimieren, was letztlich die Betriebskosten und die Umweltbelastung reduziert. Modellrechnungen zeigen, dass dadurch in einem Unternehmen allein an einem einzigen Standort mehrere zehn Tonnen CO2-Emissionen eingespart werden können.