Smart Cities in Zeiten von COVID-19
Von Alejandro Garcia, Fauzia Candrian und Matthias Dyer
Das chinesische Wort für „Krise“ setzt sich aus zwei Zeichen zusammen – wei (bedeutet „Gefahr“) und ji (bedeutet „Chance“). Einerseits sind die traditionellen Kanäle und Abläufe von der Coronakrise stark betroffen, andererseits ist der Wert der digitalen Kanäle, Produkte und Abläufe deutlich geworden. Wenn wir die Geschichte betrachten, haben Epidemien immer schon den Alltag der Menschen bestimmt. Sie haben zwar Menschenleben gekostet, aber auch Fortschritt gebracht, vor allem in unserer Reaktion auf neue Krankheitsausbrüche. Momentan befinden wir uns mitten in der zweiten Welle der COVID-19-Pandemie. Welche Chancen bringt COVID-19 für Smart Cities? Es beschleunigt sicherlich den Übergang zu Smart Cities auf der ganzen Welt – aber was bedeutet das genau?
Das Framework veranschaulicht die verschiedenen Aspekte, die in der bestehenden Situation für Smart Cities eine wichtige Rolle spielen.
Eine Smart City sollte in der Lage sein, das persönliche Verhalten der Menschen zu beeinflussen, sich positiv auf die Gesundheit der Gesellschaft auszuwirken und ein Umfeld zu schaffen, in dem die Wirtschaft wachsen kann. Während einer Pandemie besteht die Herausforderung im oben abgebildeten Modell darin, dass eine Smart City möglichst schnell reagiert und versucht, die drei Aspekte Verhalten, Gesundheit und Wirtschaft positiv zu beeinflussen und das Auftreten positiver Rückkopplungsschleifen mit negativen Folgen zu vermeiden.
Die entscheidende Frage besteht darin, wie eine Smart Citydie Umweltaspekte möglichst schnell und nachhaltig beeinflussen kann, um der Ausbreitung von COVID-19 entgegenzuwirken. Dabei spielen insbesondere zwei Aspekte eine zentrale Rolle. Einerseits ermöglicht eine Smart City Infrastruktur neue Dienstleistungen (Smart City Services) mit neuen Technologien, die das Verhalten, die Gesundheit und die Wirtschaft positiv beeinflussen können. Andererseits ermöglicht der Aufbau eines E-Governments eine effektive Verwaltung mithilfe digitaler Mittel.
E-Government
Eine Infrastruktur, die den Einsatz neuer Technologien für die Entwicklung neuer Anwendungsfälle ermöglicht, ist nur eines der Schlüsselelemente einer Smart City. Die Weiterentwicklung des E-Governments, welches ermöglicht, effizient und schnell zu reagieren, ist eines der anderen Schlüsselelemente in Zeiten einer Krise wie der COVID-19-Pandemie. In diesem Abschnitt werden wir uns auf die Entwicklung des E-Governments in der Schweiz und auf die Auswirkung von COVID-19 auf die Städteentwicklung konzentrieren.
Unter E-Government versteht man mehr als nur IT-Projekte in der Verwaltung umzusetzen. Wie die Situation in der Zeit von COVID-19 zeigt, ist die Digitalisierung der Verwaltung von grundlegender Bedeutung. E-Government ist ein Muss, wenn die Verwaltung den Anschluss an die neue Lebensrealität von Wirtschaft und Gesellschaft nicht verpassen will. E-Government ist jedoch nur dann effizient, wenn es zeitsparend, barrierefrei und anwendbar ist.
Anfang dieses Jahres erlebten die Behörden einen plötzlichen Anstieg der Zahl an Personen, die sich beim RAV (Regionales Arbeitsvermittlungszentrum) angemeldet haben, ebenso waren bis Mai 1,9 Millionen Personen für Kurzarbeit angemeldet. Da der schweizweite Abrechnungsprozess Medienbrüche und manuelle Eingaben erfordert, stellte ein plötzlicher Anstieg der Zahl der für Kurzarbeit registrierten Personen eine grosse Herausforderung dar. In diesem Zusammenhang wurde z.B. in Zürich ein Webformular mit Robotics-gesteuertem Datentransfer in das Bundes-Abrechnungssystem entwickelt, um die Abrechnungen und Auszahlungen zu beschleunigen (Kanton Zürich). Dies ist ein gutes Beispiel dafür, wie die Digitalisierung zusammen mit einer E-Government-Strategie den Bürgern unter den gegenwärtigen Umständen einen unmittelbaren Nutzen bringen kann.
Die föderale Struktur in der Schweiz erschwert eine flächendeckende Einführung der digitalen Dienstleistungen. E-Government-Prozesse betreffen in der Regel verschiedene Ebenen (Bund, Kanton, Gemeinde), auf die auch die Kompetenzen verteilt sind. Sowohl eine übergeordnete Koordination als auch eine verbindliche rechtliche Grundlage werden benötigt. So erfordert zum Beispiel die in Zürich implementierte digitale Lösung zur Abrechnung von Kurzarbeit zusätzliche Koordination mit anderen Kantonen, wenn sie landesweit umgesetzt werden soll.
Das Ziel der Digitalisierungsstrategie sollte sein, eine stärkere Widerstandsfähigkeit bei Krisen und Katastrophen sicherzustellen, damit in Zukunft Krisen und Gefahren besser gemeistert werden können. Eine wichtige Voraussetzung für die Digitalisierung des öffentlichen Sektors ist die Fähigkeit, das Potenzial der Technologien auszuschöpfen. Wirksame Governance-Mechanismen werden zur Integration der Technologie mit den drei wichtigsten Interessensgruppen Bevölkerung, Wirtschaft und Verwaltung gebraucht.
Smart City Services
Internet of Things (IoT), Blockchain und künstliche Intelligenz sind Technologien, die unsere Reaktion auf Pandemien durch die Entwicklung von neuen Use Cases unterstützen. Die Rolle einer Smart City besteht darin, eine Infrastruktur zu schaffen, welche die Entwicklung neuer Services ermöglicht und dadurch eine bessere Lebensqualität auch im Falle eines Krankheitsausbruchs für ihre Bürger schafft. Einige dieser Use Cases werden im Folgenden erwähnt.
IoT
Contact-Tracing/Überwachung des Social Distancing: Hardware-Sender können am Arbeitsplatz eingesetzt werden, um die tägliche Interaktion zwischen Personen zu verfolgen und die Massnahmen nach Bedarf anzupassen oder die Reaktionsgeschwindigkeit zu verbessern. Ein solches Gerätkann Rückmeldung geben, wenn der Sicherheitsabstand nicht eingehalten wird, und gleichzeitig Social Distancing-Statistiken erstellen, um die Wirksamkeit von Massnahmen am Arbeitsplatz zu messen.
Smart Wearables: Der Begriff Wearables steht für kleine, vernetzte Computer, die am Körper getragen werden. Bei einem möglichen oder bestätigten Verdacht auf COVID-19 können Wearables dazu verwendet werden, mehrere Vitalfunktionen zu verfolgen, um die Wirkung des Virus auf den Körper zu beurteilen und Informationen für die Fernbehandlung bereitzustellen. Ebenso können Wearables bei der Früherkennung des Virus helfen, z.B. können Fitness-Wearables, die die Atemfrequenz verfolgen, abnormales Atemverhalten erkennen, während sich das Virus noch in der Inkubationszeit befindet.
Blockchain
Plattform zum Datenaustausch: Plattformen wie MiPasa ermöglichen den Austausch von verifizierten Gesundheitsinformationen. Das Ziel einer solchen Plattform liegt darin, eine vertrauenswürdige, inklusive, diverse und transparente Grundlage zu schaffen. Durch eine Blockchain-Architektur sind die Informationen auf dieser Plattform direkt an die Datenquelle gekoppelt und somit können Inkonsistenzen und Fehler durch den Abgleich unterschiedlicher Datenquellen behoben werden.
Transparenz in der Lieferkette: Die COVID-19-Krise hat die Relevanz einer raschen und organisierten Distribution bestimmter Waren nachgewiesen, seien es Beatmungsgeräte, Tests, medizinische Behandlungen oder in Zukunft der Impfstoff. Eine Blockchain kann die nötige Transparenz verschaffen, um die Verteilung zu steuern, indem kritische Informationen über Angebot und Nachfrage der verschiedenen Waren bereitgestellt werden, um Preiserhöhungen oder sogar Betrug im Netzwerk zu verhindern.
Künstliche Intelligenz
Risiko-Vorhersage: Künstliche Intelligenz kann zur Vorhersage des Infektionsrisikos oder des Schweregraderisikos beitragen. Es können Algorithmen unter Verwendung von Variablen wie Alter, aktueller Gesundheitszustand, Hygienegewohnheiten und weiteren Gesundheitsdaten berechnet werden, um einen bestimmten Vulnerabilitäts- oder Schweregradindex zu definieren.
COVID-19-Diagnose: Einerseits wurde künstliche Intelligenz eingesetzt, um COVID-19 anhand von Röntgenaufnahmen des Brustkorbs zu diagnostizieren. Andererseits etablierte sich die Nutzung von künstlicher Intelligenz zur Identifizierung potenzieller COVID-19-Fälle durch Sprach- und Audiodetektionssysteme.
Gesellschaft
Das Ziel einer Smart City ist es, ihren Einwohnern die bestmögliche Lebensqualität zu bieten. Ein E-Government und die Einführung von Smart City Services sind entscheidende Bestandteile, um dieses Ziel zu erreichen – und diese sollten auf den Schutz der Bevölkerung ausgerichtet sein. Die Digitalisierung ist ein wichtiges Instrument, um den Herausforderungen einer Pandemie zu begegnen. Sie ermöglicht es uns, besser informiert zu sein, so dass wir unser Verhalten anpassen können. Sie kann uns helfen, unsere Gesundheit zu überwachen und schliesslich kann sie Unternehmen unterstützen, indem sie das Arbeiten aus der Ferne ermöglicht. COVID-19 hat die Bedeutung von Smart Cities unterstrichen und bestätigt, wie wichtig es ist, die Infrastruktur weiterzuentwickeln, um die Auswirkungen neuer möglicher Risiken bei künftigen Pandemien zu minimieren.
COVID-19 wird unsere Städte umstrukturieren
Es ist noch unklar, ob das Coronavirus den bestehenden Megatrend zur Urbanisierung umkehren wird. Dennoch ist klar, dass diese Pandemie Auswirkungen auf die Lebensweise der Menschen in den Städten haben wird. Einerseits werden die Regierungen ihre Prioritäten neu bewerten und ihre Umwandlung zu einem E-Government beschleunigen müssen, auf der anderen Seite müssen Unternehmen Innovationen vorantreiben und neue Lösungen für die künftigen Herausforderungen entwickeln. In jedem Fall wird die Digitalisierung eine führende Rolle bei der Umwandlung in intelligente Städte spielen, um zu garantieren, dass die Bevölkerung informiert agiert, dass sie eine korrekte Gesundheitsversorgung erhält und dass die Ökonomie stark bleibt, damit die Bürger ihren Arbeitsplatz nicht verlieren.